Untersuchungen zur Vergleichenden Grammatik des Finnischen Sprachstamms
Michael Weske
Es ist eine bekannte Tatsache, dass die verschiedenen Sprachen des finnischen Völkerstammes auf eine gemeinsame Grundsprache hinweisen. Jedoch ist das Verhältnis der einzelnen finnischen Sprachen zueinander und zu einer gemeinsamen Grundsprache noch keineswegs bisher in jener Weise festgestellt, wie das Verhältnis der indogermanischen Sprachen zu ihrer Ursprache. Eine dahingehende Untersuchung ist aber für die Erkenntnis der finnischen Sprachen ein dringendes Bedürfnis. Will man nun gar das Verhältnis der finnischen Sprachfamilie zu den übrigen Haupt-Familien des ural-altaischen Stammes (Samojedisch, Tatarisch, Mongolisch, Tungusisch} genau bestimmen oder, noch tiefer in das Wesen der Sprache eindringend, ihre Beziehungen zum Indogermanischen untersuchen, so ist es unumgänglich notwendig, zuvor eine gemeinsame Grundsprache der finnischen Sprachen festzustellen und ihr Verwandtschaftsverhältnis zueinander etwa durch das Bild eines Stammbaumes klar darzustellen. Ebenso müsste auch die Ursprache der tatarischen und mongolischen Idiome erschlossen werden. Denn will man das Verhältnis zweier Sprachfamilien zueinander oder ihre Verwandtschaft nachweisen, so muss man beide in ihrer ursprünglichen Gestalt, soweit wir diese nämlich zu erkennen vermögen, miteinander vergleichen.
Da aber die bisherigen Beweise von der Verwandtschaft der finnischen Sprachfamilie z. B. mit der tatarischen dieser sicheren Grundlage entbehren, so haben sie keine zwingende Kraft und sind meistens bloße Gründe der Wahrscheinlichkeit. Von dieser Betrachtung ausgehend habe ich es unternommen, die allen finnischen Sprachen zugrundeliegende Ursprache an der Identität ihrer Wortbildungselemente (d. h. Kasusendungen, Bildungselemente der Substantiva und Verba) sprachhistorisch nachzuweisen und das Verhältnis der verwandten Einzelsprachen zueinander. Um dies zu erreichen, verfolge ich alle lautlich zusammengehörenden Elemente durch die verschiedenen Redeteile der finnischen Sprachen, stelle sie zusammen, suche ihre ältesten Begriffe und Formen auf und zeige, welche von ihnen allen den Sprachen gemeinsam, oder dieser oder jener eigentümlich sind (aus dem Vorwort). (Originally published 1872 in Leipzig).
ISBN 9783862888030. LINCOM facsimile collection 51. 116 S. 2017.